Sinnerfüllte Arbeitswelten


Im Herbst 2002 machte ich mir zum ersten Mal konkrete Gedanken, als ‚Ranger' (=Naturvermittler) selbstständig zu arbeiten. Nach lauter fehlgeschlagenen Versuchen, eine geeignete Anstellung für mich zu finden, war meine logische Konsequenz, mir selbst eine Stelle zu schaffen. Ich besorgte mir ein Buch für Einsteiger in die Welt des Business, bannte meine zu jener Zeit aktuelle Vision in einer Geschäftsidee auf Papier und besuchte ein Existenzgründerseminar bei der IHK. Das Ergebnis jedoch war eher Ernüchterung, Selbstzweifel und Orientierungslosigkeit im Dschungel betriebswirtschaftlicher Fremde. - Vor diesem Hintergrund trat das Orientierungssemester der FGF (=Fördergemeinschaft zur Gründung einer Friedensuniversität) in mein Leben.

Ich erinnere mich, wie meine damalige Freundin und ich zusammen die Texte auf der Homepage lasen und ganz angetan waren von den Beschreibungen. Eine Teilnahme jedoch schien mir nicht möglich zu sein, weil ich das nötige Geld dafür nicht besaß. Diese missliche Situation klärte sich jedoch, als mir unverhofft bei einer Umweltbildungseinrichtung in der Uckermark eine Vollzeitstelle angeboten wurde. So konnte ich mit neuer finanzieller Grundlage gerade noch drei Wochen vor Beginn des Orientierungssemesters meine Teilnahme zusagen.

Von dem zehnmonatigen Kurs erhoffte ich mir zum einen, am Friedensthema dranzubleiben, das ich seit meinen Friedensstudien an der Nizhoni-Schule in den USA verfolgte, und diesbezüglich neue Impulse für eigene Seminare zu bekommen, und zum anderen, meine Vision weiterzuentwickeln und mit Unterstützung von Trainern und Coaches konkrete Schritte zu ihrer Umsetzung einzuleiten.

Als ich meine neue Stelle angetreten hatte, stellte ich bald fest, dass die Tätigkeit zwar in weiten Teilen meiner zuvor formulierten Vision entsprach, diese aber offenbar nicht vollständig gewesen war; denn entscheidende Aspekte fehlten mir...

Im Juni 2003 begann das Orientierungssemester, und nach dem Einführungsseminar ("Wertschätzung"), das für mich sehr erkenntnisreich war bezüglich der Muster und Lebensstrategien, in denen ich aufgewachsen war, wurde mein Arbeitsvertrag als Umweltbildner ebenso unvermittelt wie er aufgetaucht war, wieder aufgelöst. Dadurch war für mich die Frage nach Orientierung wieder sehr konkret geworden. - Aber jetzt saß ich "im Boot" und war mir reichhaltiger Unterstützung gewiss!


Teilnehmer des Orientierungssemesters

Das zweite Seminar ("Empowerment") bot mir Erstaunliches. Die Inhalte entsprachen ganz meinem inneren Wissen, und auf eigenartige Weise erinnerte mich der Seminarleiter an mich selbst. In mir hörte ich eine Stimme sagen: "Das kann ich auch!", und von da an war mir klar, dass ich mein Konzept von ‚Naturvermittlung' viel weiter fassen würde.

Dies geschah beim dritten Seminar ("Vision"): In meiner Vorstellung entwarf ich ein ganzheitliches Lebensmodell, in dem ich meine ökologischen und spirituellen Prinzipien leben konnte, in dem ich mit einer Gruppe Gleichgesinnter gemeinschaftlich ein Zentrum betrieb, das Mensch und Natur zueinander führte. Das waren sehr ideenreiche und kreative Tage, die außerdem ein Märchen, ein Gemälde und ein Logo aus mir hervorholten!

In der Folgezeit ging es für mich nun primär darum, einen Ort zu finden, an dem ich meine Visionen umsetzen könnte. Ich kündigte meine Wohnung und meine Krankenversicherung und verschaffte mir durch die Geldeinsparung die Möglichkeit, frei umher zu reisen und mich umzuschauen.

Mein erster konkreter Schritt zur Gemeinschaftssuche war ein zehntägiges Praktikum im Schwarzwald beim "Ökodorf-Institut", einem Vermittlungsbüro für Gemeinschaften mit Seminarbetrieb. Ich war beeindruckt von der Vielfalt an Gemeinschaften, die es gab, doch eine, die meinen Idealen entsprach, schien es nicht zu geben. In dieser Zeit kam allerdings die Idee auf, mein visionäres Zentrum an die Schule anzulehnen, die ich in Amerika besucht hatte und nahm Kontakt dorthin auf. Bald erfuhr ich, dass die Schule schließen würde, aber dass es eine Initiative in Norddeutschland gäbe, die eine ähnliche Schule zu gründen beabsichtigte...

Bei einem Treffen der deutschen Tiefenökologen im Chiemgau, das ich besuchte, hatte ich die inspirierende Begegnung mit einem Menschen, der einen alten Hof aufgekauft hatte und dort sehr erfolgreich Wildnispädagogik betrieb. Mir leuchtete ein, dass, wenn ich keine Gemeinschaft für mich fände, ich ebenfalls mein eigenes Projekt ins Leben rufen müsste.

Das vierte und fünfte Seminar ("Soziale Systeme") konfrontierte mich sehr mit dem für mich heiklen Thema, in Gruppen authentisch sichtbar zu sein und meinen mir gebührlichen Raum einzunehmen. Denn trotz meiner Körpergröße von 1.98 m tendierte ich dazu, eher "klein" aufzutreten. Dies schien mir für die Realisierung meiner Vision jedoch keine sehr förderliche Angewohnheit zu sein, und auch bei einem späteren Coaching wurde deutlich, dass das Zurückhalten meiner inneren Ressourcen direkt im Zusammenhang mit meinen mangelnden Geldeinkünften stand...

Ein Gespräch mit einer Teilnehmerin, die eine Ich-AG gegründet hatte, gab mir einen neuen Anstoß, meine Möglichkeiten zu selbstständiger Arbeit zu überdenken. Ich begann, mich von der Idee eines Zentrums und der damit verbundenen Abhängigkeit von einer größeren Organisation zu distanzieren, und beschloss, bei mir selbst anzufangen - mit einem Ein-Mann-Unternehmen.

Nach dem sechsten Seminar ("Mitgestaltung"), bei dem das Thema ‚Entsprechung' (die Übereinstimmung meiner inneren und äußeren Ausrichtung) für mich im Vordergrund stand, testeten meine Freundin und ich im "Lebensgut Lübnitz" im Fläming noch einmal zwei Wochen lang das Leben in einer ökologischen Gemeinschaft. Der Ort entsprach in weiten Teilen genau dem meiner Vision. Dennoch fehlte mir letztendlich das Gefühl, mich dort verwirklichen zu können.

So konzentrierte ich mich nun endlich auf mein eigenes Unternehmen. Zunächst drängte es mich vor allem, eine treffende Bezeichnung zu finden, um dem Ganzen einen Raum zu geben, in dem es wachsen könnte.

Das siebente Seminar gab mir wertvolle Werkzeuge zur "Teamarbeit" mit auf den Weg, auf meine aktuellen Bedürfnisse zugeschnitten war dann jedoch das achte Seminar: "Selbst-Marketing". Hier konnte ich konkret an meinem Marketing-Plan arbeiten und mich mit meiner Idee einem Publikum präsentieren. Außerdem erhielt ich hier einen entscheidenden Impuls für die Namensgebung meines Unternehmens. Damit war der Durchbruch geschafft! In der Folgezeit formulierte ich ein neues Konzept, konnte es beim neunten Seminar ("Traumjob") bereits vorstellen und die nächsten konkreten Schritte erarbeiten.

Nach dem zehnten Seminar ("Projekte") besuchten meine Freundin und ich zum Frühlingsanfang das "Lebenszentrum Glienitz" in Niedersachsen bei Lüneburg, eine überschaubare, ökologisch und spirituell orientierte Gemeinschaft mit dem Ziel, eine "Lebensschule" aufzubauen. Ich fühlte mich sehr wohl an dem Ort und mit den Menschen und glaubte, meinen Platz gefunden zu haben. Doch bei der Abreise war es mir wiederum nicht möglich, mir dort meine Zukunft vorzustellen...

Das Abschlussseminar des Orientierungssemesters ("Reflexion") und ein grandioses Abschiedsfest folgten, bei dem ich meine Vision während eines symbolischen Ganges durch ein Labyrinth noch einmal klar präsentierte und in die Welt freigab.

Im Anschluss reiste ich nach Berlin, um zunächst einem bundesweiten Rangertreffen beizuwohnen und dann eine Freundin in meiner früheren Heimat Potsdam zu besuchen. Dabei geschahen nun drei unscheinbare, aber wesentliche Dinge:
· Ein Rangerkollege aus England erzählte mir über einen anderen, wie dieser sich selbstständig gemacht hatte.
· Ich begegnete auf der Straße unverhofft einer alten Bekannten von der Nizhoni-Schule, die mittlerweile nach Potsdam gezogen war.
· Ich formulierte halb scherzhaft in einem Gespräch mit meiner Gastgeberin lauter Gründe, warum es von Vorteil sein könnte, meinen Standort wieder nach Potsdam zu verlegen...

Auf der Rückfahrt mit dem Zug nach Hause stand dann plötzlich alles ganz klar vor mir. Ich wusste, ich würde nach drei Jahren nach Potsdam zurückkehren, und ich wusste, was ich dort tun würde...